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22.-23. November 2021
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Psy­cho­lo­gi­sche Sicher­heit – der Erfolgs­fak­tor Nr. 1 für Teams

Autorin: Dr. ina Gol­ler, Skills­gar­den AG

Vie­le mögen sich noch an die Zeit erin­nern, als Nokia im Bereich der Mobil­te­le­fo­nie den Markt domi­nier­te: Jahr­zehn­te­lang ver­kauf­te das Unter­neh­men hun­der­te von Mil­li­ar­den Mobil­te­le­fo­ne und besass 2007 eine Markt­ka­pi­ta­li­sie­rung von 110 Mil­li­ar­den Euro. 5 Jah­re spä­ter brach die­se Zahl mit dem Auf­stieg von Apple und Goog­le über­ra­schend auf 15.8 Mil­li­ar­den Euro zusam­men. Die Grün­de für den tie­fen Fall des Gigan­ten Nokia sind viel­fäl­tig. Die Haupt­punk­te, wel­che häu­fig ange­spro­chen wer­den, sind: Der Fokus auf fal­sche Stra­te­gien, schlech­te Visio­nen und unzu­rei­chen­de Füh­rung. Ein ande­rer Punkt, wel­cher weni­ger oft Beach­tung fin­det, ist das Kli­ma in der Orga­ni­sa­ti­on, wel­ches das Ver­sa­gen von Nokia för­der­te. Stim­men, die die dama­li­ge Aus­rich­tung der Orga­ni­sa­ti­on in Fra­ge stell­ten, wur­den igno­riert; das kri­ti­sche Hin­ter­fra­gen des Sta­tus Quo sogar sank­tio­niert. Die­se Vor­ge­hens­wei­se führ­te dazu, dass Füh­rungs­kräf­te des mitt­le­ren Manage­ments das poten­zi­el­le Risi­ko durch die Kon­kur­renz Apple und Goog­le nicht an das Top-Manage­ment kom­mu­ni­zier­ten. Die Orga­ni­sa­ti­on mach­te sich selbst mund­tot und nahm sich damit die Chan­ce gegen­über der auf­stei­gen­den Markt­kon­kur­renz zu bestehen. Das Kli­ma, wel­ches damals in der Orga­ni­sa­ti­on herrsch­te, könn­te man als angst­be­setzt beschrei­ben oder als feh­len­de Psy­cho­lo­gi­schen Sicherheit.

Psy­cho­lo­gi­sche Sicher­heit – was es ist und wes­halb man ihr mehr Auf­merk­sam­keit schen­ken sollte

Psy­cho­lo­gi­sche Sicher­heit bedeu­tet, dass im Team die Über­zeu­gung vor­herrscht, dass jede*r sei­ne Mei­nung in der Form von bei­spiels­wei­se Kri­tik oder Feed­back aus­spre­chen kann, ohne damit ein per­sön­li­ches Risi­ko ein­zu­ge­hen, anschlies­send im Team gebrand­markt zu werden.

Das Kon­zept der Psy­cho­lo­gi­schen Sicher­heit wur­de durch die For­schungs­ar­bei­ten von Amy Edmond­son geprägt. Eine Stu­die von Goog­le konn­te die­ses Kon­zept dann als den wesent­li­chen Fak­tor für Teamer­folg bestä­ti­gen und sorg­te für eine gros­se Verbreitung.

Als Goog­le im Jah­re 2016 die Ergeb­nis­se ihrer intern durch­ge­führ­ten Stu­die namens «Aris­to­te­les» öffent­lich mach­te, zeig­te sich, wel­chen ein­drück­li­chen Ein­fluss Psy­cho­lo­gi­sche Sicher­heit auf das Arbeits­ge­sche­hen eines Teams hat. Beson­ders über­ra­schend für die Initia­to­ren der Stu­die war die Erkennt­nis, dass sich psy­cho­lo­gi­sche Sicher­heit als match-ent­schei­den­der Fak­tor für den Erfolg von Teams her­aus­stell­te. Damit wur­de der Mythos wider­legt, dass indi­vi­du­el­le Per­sön­lich­keits­fak­to­ren von Team­mit­glie­dern einen zen­tra­len Ein­fluss haben. Es ist somit nicht wesent­lich, wer im Team zusam­men­ar­bei­tet, son­dern wie die Team­mit­glie­der zusam­men­ar­bei­ten. Will eine Unter­neh­mung oder Füh­rungs­kraft erfolg­rei­che Teams auf­bau­en, soll­te sie den Fokus somit auf das geleb­te Ver­hal­ten der Team­mit­glie­der legen und bis­he­ri­ge Tra­di­tio­nen, Ver­hal­tens­stan­dards und unge­schrie­be­ne Regeln, wie sozia­le Nor­men, über­prü­fen und ändern. Per­sön­lich­keits­fak­to­ren von ande­ren Team­mit­glie­dern zu ken­nen, kann hilf­reich sein, um bestimm­te Prä­fe­ren­zen im Han­deln zu ver­ste­hen. Es führt lei­der oft genug nur zu einer Ver­stär­kung von Vorurteilen.

Ver­hal­tens­wei­sen, die die Psy­cho­lo­gi­sche Sicher­heit för­dern, sind:

  1. Jeder äus­sert sei­ne Mei­nung (Voice). Damit ist gemeint, dass jeder in Team­mee­tings sei­ne Stim­me ein­bringt und somit zu einem sinn­vol­len Wis­sens­aus­tausch und einer Risi­ko­ein­schät­zung beiträgt
  2. Jeder spricht unge­fähr gleich­viel. Auch die­se Min­dest­an­for­de­rung bezieht sich auf Team­mee­tings und gemein­schaft­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­ons­si­tua­tio­nen. Hier soll der Fokus dar­in lie­gen, dass jeder sei­nen Bei­trag in Dis­kus­sio­nen ein­bringt und nicht nur die übli­chen Meinungsführer*innen.
  3. Feh­ler zuge­ben und anspre­chen / Feed­back. Ein Lern­pro­zess im Team kann nur dann statt­fin­den, wenn Feh­ler öffent­lich geteilt wer­den und klar wird, was ein Feh­ler ist. Nur wenn die­se gemein­sam ver­ar­bei­tet wer­den, kann ver­hin­dert wer­den, dass die glei­chen Feh­ler inner­halb eines Teams gemacht wer­den und alle Mit­glie­der dar­aus ler­nen können.

Alle drei beschrie­be­nen Ver­hal­tens­wei­sen ermög­li­chen eine bes­se­re Kom­mu­ni­ka­ti­on im Team und füh­ren damit zu einem höhe­ren Wis­sens­aus­tausch. Sie för­dern die Krea­ti­vi­tät und ermög­li­chen dem Team, die Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit zu stei­gern. Zudem wird das Enga­ge­ment für die eige­ne Arbeit und Ler­nen auf fach­li­cher wie auch per­sön­li­cher Ebe­ne geför­dert. Eine wei­te­re posi­ti­ve Begleit­erschei­nung ist, dass Kenn­zah­len zu Arbeits­stress, Krank­heits­ta­gen und Fluk­tua­ti­on bei einer hohen Psy­cho­lo­gi­schen Sicher­heit tie­fer aus­fal­len. Zwi­schen­mensch­li­che „Her­aus­for­de­run­gen“, wie z. B. bei geo­gra­fisch-diver­sen Teams, zwi­schen­mensch­li­che Kon­flik­te, die Akzep­tanz von Viel­falt, kön­nen viel bes­ser ange­gan­gen und über­wun­den wer­den. Wenn schwie­ri­ge The­men auf den Tisch kom­men und nicht zu Scher­ben­hau­fen, son­dern zu trag­fä­hi­gen Lösun­gen führt, kön­nen alle Betei­lig­ten nur gewin­nen. Letzt­lich führt dies zu einer erhöh­ten Effek­ti­vi­tät, zu höhe­rer Inno­va­tions- und Wett­be­werbs­fä­hig­keit und damit auch zu einem höhe­ren finan­zi­el­len Ertrag. All das, was Nokia beim Über­gang ins Smart­pho­ne-Zeit­al­ter so drin­gend gebraucht hätte.

Das Pro­blem in der Praxis…

In der Wirt­schafts­welt fin­den sich lei­der trotz der ein­drück­li­chen wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se immer wie­der Bei­spie­le, die zei­gen, wie sehr die­ses Kon­zept trotz sei­ner Wich­tig­keit unter­schätzt und ver­nach­läs­sigt wird. Beson­ders in Unter­neh­mun­gen mit stark aus­ge­präg­ter Hier­ar­chie wird oft­mals eine Kul­tur des Schwei­gens gelebt. Das Bei­spiel von Nokia zeigt, dass eine tie­fe Psy­cho­lo­gi­sche Sicher­heit ver­hee­ren­de Fol­gen haben kann. Das Ver­hal­ten des Manage­ments hat­te zur Fol­ge, dass Mit­ar­bei­ten­de ihre Stim­me nicht mehr erhe­ben woll­ten. Somit gin­gen vie­le wich­ti­ge Infor­ma­tio­nen ver­lo­ren, wie man sich wei­ter von der Kon­kur­renz hät­te abhe­ben kön­nen. Die­se Form der Kom­mu­ni­ka­ti­on von Ideen, Vor­schlä­gen, Beden­ken oder Mei­nun­gen zu Pro­ble­men, wird im Eng­li­schen mit «voice» beschrieben.

Unwis­sen­heit ist ver­mut­lich ein wei­te­rer Grund, war­um Psy­cho­lo­gi­sche Sicher­heit nicht aktiv vor­an­ge­trie­ben wird. Häu­fig zeigt sich dies in dem Vor­ur­teil, dass mit Psy­cho­lo­gi­scher Sicher­heit über­trie­be­ne und flos­kel­haf­te Nächs­ten­lie­be im Team gemeint ist. Hier liegt ein grund­le­gen­der Irr­tum vor. In psy­cho­lo­gisch siche­ren Teams kön­nen Team­mit­glie­der sehr wohl schwie­ri­ge, span­nungs­rei­che The­men anspre­chen. Jedoch geschieht dies, ohne ande­re bloss zu stel­len oder selbst bloss gestellt zu wer­den. Psy­cho­lo­gi­sche Sicher­heit bie­tet die Grund­la­ge, Rei­bungs­punk­te, Feh­ler oder Schwach­punk­te anzu­spre­chen und pas­sen­de Lösun­gen dafür zu finden.

Ein wei­te­rer Grund vor dem Kon­zept zurück­zu­schre­cken, könn­te eine Vor­aus­set­zung sein, ohne die es nicht geht. Die Ein­füh­rung von Psy­cho­lo­gi­scher Sicher­heit muss mit einer Ände­rung des Ver­hal­tens ein­her­ge­hen; Aus­nahms­los jede*r ist davon betrof­fen, Füh­rungs­kräf­te eben­so wie Team­mit­glie­der. Wir ste­hen an dem Punkt, dass wir etwas Neu­es aus­pro­bie­ren müs­sen, doch wie machen wir das?

Wie bau­en wir Psy­cho­lo­gi­sche Sicher­heit auf?

Um Psy­cho­lo­gi­sche Sicher­heit in einem Team oder einer Orga­ni­sa­ti­on auf­zu­bau­en und zu ent­wi­ckeln, benö­tigt man neben einem grund­le­gen­den Ver­ständ­nis des Kon­zep­tes zwei wei­te­re Ele­men­te: Mes­sung und Trai­ning.

Ein gros­ser Vor­teil im Ver­gleich zu ande­ren Kon­zep­ten ist, dass sich Psy­cho­lo­gi­sche Sicher­heit recht ein­fach in der Pra­xis mes­sen las­sen kann. Wo genau ein Team steht, lässt sich mit dem von Amy Edmond­son ent­wi­ckel­ten Fra­ge­bo­gen unkom­pli­ziert erfas­sen (www​.fearless​or​ga​niz​a​ti​on​.com ). Die­ser kann in kur­zer Zeit durch die ein­zel­nen Mit­ar­bei­ten­den eigen­stän­dig aus­ge­füllt wer­den. Im Anschluss soll­ten die Ergeb­nis­se (anony­mi­siert) im Team bespro­chen wer­den. Wich­tig ist dabei, dass nicht nur das abso­lu­te Ergeb­nis zählt. Bedeut­sa­mer ist die Aus­ein­an­der­set­zung des Teams mit der The­ma­tik, mit dem Ziel eine gemein­sa­me Sicht­wei­se zu schaf­fen. Mit der Mes­sung kön­nen zudem Stär­ken erkannt und Ent­wick­lungs­fel­der iden­ti­fi­ziert werden.

Der ers­te Schritt in Rich­tung Psy­cho­lo­gi­sche Sicherheit

Wie so oft beginnt der ers­te Schritt mit einem Blick in den Spie­gel. Unser Tipp: den­ken Sie über ihr eige­nes Ver­hal­ten im Team oder als Füh­rungs­kraft nach. Wo tra­gen Sie zu mehr Psy­cho­lo­gi­scher Sicher­heit in ihrem Team bei und wo (noch) nicht? Beob­ach­ten Sie die Inter­ak­tio­nen mit den Team­mit­glie­dern und wie unter­ein­an­der reagiert wird, wenn Sie ihre Stim­me erhe­ben. Erzäh­len Sie ande­ren von Psy­cho­lo­gi­scher Sicher­heit und beob­ach­ten Sie, wo es bereits funk­tio­niert und was Sie aus den posi­ti­ven Bei­spie­len ler­nen können.

Schen­ken Sie sich und Ihrem Team die Frei­heit, Neu­es zu ent­de­cken, zu ler­nen und gemein­sam zu wach­sen. Ver­las­sen Sie die gewohn­ten Pfa­de und schaf­fen Sie Raum für Neu­es. Sei­en Sie sich bewusst, dass Sie und Ihr Team auf dem Weg zu mehr Psy­cho­lo­gi­scher Sicher­heit Feh­ler machen wer­den. Es ist ein gutes Zei­chen dafür, sol­che Feh­ler zu ent­de­cken und dar­aus zu ler­nen. Es lohnt sich die­sen Weg zu einer leis­tungs­fä­hi­ge­ren Zusam­men­ar­beit zu begin­nen; auch wenn Sie nicht das Geschäft eines Tele­fon­pro­du­zen­ten ret­ten wollen.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zur Psy­cho­lo­gi­schen Sicher­heit, dem Trai­nings­pro­gramm sowie 24 Übun­gen fin­den Sie auf der fol­gen­den Web­sei­te: www​.psych​-safe​ty​.org oder unter skills​gar​den​.ch.

Lite­ra­tur­emp­feh­lun­gen

Edmond­son, A. C. (2018). The fearless orga­niz­a­ti­on: Crea­ting psy­cho­lo­gi­cal safe­ty in the work­place for lear­ning, inno­va­ti­on, and growth. John Wiley & Sons

Gol­ler, I. & Lau­fer, T. (2018). Psy­cho­lo­gi­sche Sicher­heit in Unter­neh­men – Wie Hoch­leis­tungs­teams wirk­lich funk­tio­nie­ren. Sprin­ger Verlag.

Refe­ren­zen

Duhigg, C. (2016). What Goog­le lear­ned from its quest to build the per­fect team. The New York Times Maga­zi­ne, 26, 2016.

Edmond­son, A. (1999). Psy­cho­lo­gi­cal safe­ty and lear­ning beha­vi­or in work teams. Admi­nis­tra­ti­ve sci­ence quar­ter­ly, 44(2), 350–383.

Edmond­son, A. C. (2018). The fearless orga­niz­a­ti­on: Crea­ting psy­cho­lo­gi­cal safe­ty in the work­place for lear­ning, inno­va­ti­on, and growth. John Wiley & Sons.

Mil­li­ken, F. J., Mor­ri­son, E. W., & Hew­lin, P. F. (2003). An explo­ra­to­ry stu­dy of employee silence: Issu­es that employees don’t com­mu­ni­ca­te upward and why. Jour­nal of manage­ment stu­dies, 40(6), 1453–1476.

Hadyn, S. (2013) Apple’s Rise and Nokia’s Fall High­light Plat­form Stra­te­gy Essen­ti­als. Abge­ru­fen am 09. Novem­ber 2021 von https://​www​.for​bes​.com/​s​i​t​e​s​/​h​a​y​d​n​s​h​a​u​g​h​n​e​s​s​y​/​2​0​1​3​/​0​3​/​0​8​/​a​p​p​l​e​s​-​r​i​s​e​-​a​n​d​-​n​o​k​i​a​s​-​f​a​l​l​-​h​i​g​h​l​i​g​h​t​-​p​l​a​t​f​o​r​m​-​s​t​r​a​t​e​g​y​-​e​s​s​e​n​t​i​a​l​s​/​?​s​h​=​2​c​9​4​e​5​8​c​6​e9a

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